975 Jahre Sandebeck
” Wer seine Heimat liebt, muss sie verstehen lernen,
wer sie verstehen will, muss in ihre Geschichte einzudringen versuchen. ” Jacob Grimm
Grußwort
Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Sandebeckerinnen und Sandebecker!
Sandebeck blickt in diesem Jahr auf ein 975-jähriges Bestehen
zurück. Dies ist die offizielle Berechnung.
Da aber die erste Erwähnung Sandebecks auf eine
Schenkungsurkunde zurückzuführen ist, in der Kaiser
Konrad der II. das Königsgut Sandebeck auf Bischof Meinwerk
von Paderborn übertrug, dürfte Sandebeck vermutlich noch
viel älter sein. Wie dem auch sei – ein solches Jubiläum ist eine will-
kommene Gelegenheit zum Feiern, vielen Menschen zu danken,
aber auch einen Moment innezuhalten und einen Blick in die Ver-
gangenheit und in die Zukunft zu richten.
In der vorliegenden Cronik kann der interessierte Leser viel über
die Geschichte Sandebecks erfahren. eine wichtige Dokumentation,
die die altsächsische Zeit, die Zeit der Franken, die Phase des Drei-
ßigjährigen Krieges, den Einfluss der Familie von Lippe bis hin zur
Gegenwart beleuchtet.
Die Geschichte hat auch in Sandebeck ein Fundament geschaffen,
auf dem sich viel Neues entwickeln konnte. Sandebeck wird an Ver-
anstaltungen teilhaben, die weit über die Stadtgrenzen hinaus von
Bedeutung sind. So wird die diesjährige Town-Twinning-Konferenz
der Europäischen Union, mit Beteiligung von Städten aus Finnland,
Polen, Ungarn und Italien schwerpunktmäßig in Sandebeck statt-
finden.
Die Bevölkerung kann stolz sein auf die heimischen Bertiebe und
Vereine.
Wo gibt es heute noch Dörfer unter 1.000 Einwohnern, die einen Ei-
senbahnpunkt, Hotels, Restaurants, Lebensmittelgeschäft und
Bäckerei, aber auch Baugeschäft, Schmiede, einFrieseur und zwei
Heizungsunternehmen haben. Worauf ist dies zurückzuführen?
Neben der landschaftlich reizvollen Lage am Fuße der Egge und
dem nördlichsten erloschenen Vulkan des europäischen Festlandes
sind hier gewiss auch eine intakte Dorfgemeinschaft, heimatverbun-
dene Unternehmen und die engagierten Bürger und Bürgerinnen zu
nennen. Zwar ist Sandebeck keine Mustergemeinde, in der unter
den Einwohnern stets Eintracht herrscht; auch hier gibt es Streit und
Gegensätze in den Interessen, doch in wichtigen Phasen haben die
Bürgerinnen und Bürger immer zusammengestanden und gemein-
sam gehandelt. Ganz aktuell ist dies im vergangenen Jahr bei der
Gründung des Fördervereins “Dorfgemeinschaftshaus” deutlich ge-
worden. Verschiedene politische Strömungen und Vereine setzen
sich für die gemeinsame Sache ein. Nur so kann es funktionieren!
Gegeneinander zu arbeiten ist aufreibend und hat auf lange Sicht
noch niemals den gewünschten Erfolg gebracht.
Die Bereitschaft, sich zu beteiligen und sich für des Gemeinwohl zu
engagieren, sie wird auch in Zukunft gebraucht. Gerade kleine
Kommunen müssen neue Wege suchen, um sich gegenüber größe-
ren Städten oder der konkurrenz aus anderen Ländern zu behaup-
ten und ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Sie sind, wie in der Ver-
gangenheit, auf die Initiative, die Phantasie und die Tatkraft ihrer
Bewohnerinnen und Bewohner angewiesen. Wie die Chronik der
vergangenen 975 Jahre Ortsgeschichte zeigt, haben die Sandebe-
cker schon viele Herausforderungen gemeistert und deshalb können
wir, dovon bin ich überzeugt, mit Zuversicht in die Zukunft blicken.
In diesem Sinne wünsche ich Sandebeck eine gute Entwicklung,
möchte allen Bürgerinnen und Bürgern danken, die sich zumeist eh-
renamtlich für das Gemeinwohl einsetzen und wünsche den Jubi-
läumsfeierlichkeiten in diesem Jahr einen guten Verlauf.
Ihr
Joachim Franzke
( Bürgermeister )
Übersicht der Kapitel:
Sandebeck – die geschichtliche Entwicklung des Dorfes
- Sandebeck im Mittelalter
- Das Weidegut Wintrup
- Frühe Neuzeit – Kirchengemeinde und Schule
- der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen
- Sandstein, Glas und Eisen
- Gleisbau und Errichtung des Eggedoms
- Ein Dorf verändert sein Gesicht
Sandebeck – die geschichtliche Entwicklung des Dorfes
In Sandebeck findet im Jahr 2006 die 975 Jahrfeier statt.
Die Ersterwähnung stammt aus dem Jahre 1031, es spricht jedoch
einiges dafür, dass die Besiedlung schon etliche Jahre früher
erfolgte. Zur Datierung von Siedlungen wird u.a. die Deutung der
Ortsnamen herangezogen. ” Sandebeck “
wurde aus in historischer Zeit gebräuchlichen Wörtern gebildet.
“Sandebeck” ( Sannanabiki – Sandenabiki – Sandenebiki – Sande-
nebeke – Sandenbeck ) bedeutet im Altsächsischen “an der versan-
deten sandigen Bache”. Der unterhalb des Sandsteinkammesder
Egge entspringende Bach, an dem das Dorf liegt, wird im Volksmund
“die Bike” genannt. In der Sandebecker Gemarkung werden Güter
bzw. Feldfluren mit den Endungen -torp (trup), -husen (-hausen) und
-brok erwähnt, die auch auf die altsächsische Zeit hindeuten.
Die Besiedlung ist für die frühe altsächsische Siedlungsperiode
(nach 500 n. Chr.) anzunehmen.
Im Allgemeinen gab es in der altsächsischen noch keine Ortsgrenzen.
Zwischen den Siedlungsinseln mit ihren Acker- und Hudeflächen
lagen ungenutzte Wälder, die nach der Eroberung durch die
Franken für Königsgut erklärt wurden. In diesen königlichen Forsten
war es dem Volk unter Königsbann verboten zu jagen. Solch ein
Bannforst ist in Sandebeck urkundlich belegt. Heute erinnert noch
die Geländebezeichnung “Bangern” (Grenze zwischen Sandebeck
und Leopoldstal) an den “Banngarten”. Das Banngarten-Wasser, das
im Eggewald entspringt bildet seit der fränkischen Zeit bis heute
eine Territorialgrenze.
Sandebeck im Mittelalter
In Sandebeck befand sich auch ein Gut in Königsbesitz. Ob hier ein
sächsisches Gut zum Königseigentum erklärt oder ob dasselbe neu
angelegt wurde, ist nicht bekannt. Zu dem Königsgut gehörte ein
Verband abhängiger Bauernhöfe; die Vorrechte dieser Bauern – der
“Königsfreien” – vererbten sich Jahrhunderte lang weiter.
Karl der Große residierte nicht dauernd von einem festen Platz aus,
er zog mit seinem Gefolge durch des Land. Zwischen den Stütz-
punkten befand sich jeweils auf der Hälfte der Strecke ein Königsgut,
wo die Durchziehenden Rast machten und verpflegt wurden. Sande-
beck lag in der Mitte zwischen der Kaiserpfalz in Paderborn und dem
karolingischen Stützpunkt in Alt – Schieder. Der Weg in seiner ge-
samten Strecke ist auch als Kurier- und Heerstraße anzusehen.Die
alte, durch das Dorf Sandebeck führende Straße, heißt im Volks-
mund noch “der Steinweg” und dürfte schon früh befestigt gewesen
sein.
In der Gemarkung zwischen Sandebeck und Bergheim gibt es den
“Speerweg”. Bekannt ist, dass schon zur Zeit Karls des Großen ein
Reiter mit einem langen Speer, den er quer trug, dem Tross voraus-
ritt. Die Bauern mussten dafür sorgen, dass Hecken und Bäume
in dieser Breite freigehalten wurden.
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts erfolgten Verschiebungen der Be-
sitzverhältnisse durch umfangreiche Schenkungen an die Kirche.
Kaiser Konrad II. schenkte 1031 das Königsgut Sandebeck dem Bi-
schof Meinwerk von Paderborn und seinem Bistum (die Urkunde
über die Ersterwähnung Sandebecks befindet sich im Staatsarchiv
Münster).
Zu dem Haupthof Sannanabiki gehörten 11 Vorwerke, alle gelegen
im Gau Wetigau.
1032 schenkte Kaiser Konrad II. dem Bischof große Waldungen. u.a.
den Eggewald von Sandebeck. Bischof Meinwerk stattete 1036 das Bus-
dorfstift in Paderborn mit dem Zehnten in Sandebeck aus. Ein “Villi-
cus”, der Leiter des Hofverbandes, war u.a. für das Einsammeln des
“Zehnten”, des zehnten Teils der Ernte, verantwortlich.
An den Plätzen fränkischer Königsgüter erfolgte eine frühe Missio-
nierung. Das Patrozinium der Sandebecker Kirche – des fränkischen
Heiligen Dionysius – weist auf die Kirchengründung in karolingischer
Zeit hin. Als im Jahre 1231 die Einteilung des Bistums Paderborn in
Verwaltungsbezirke erfolgte, wurdr die Pfarrei Sandebeck dem Ar-
chidiakonat Steinheim zugeteilt. 1223 erfolgte eine Erwähnung der
dem hl. Dionysius und der Mutter Gottes geweihte Kirche. Die Pfarrei
Sandebeck erhielt 1237 vom Bischof Bernhard IV. 70 Morgen
Acker in Bodikenhagen und 44 Morgen in Altenhagen bei Sandebeck
mit den dazugehörigen Hausstellen und Gebäuden. Dem Kloster
Gehrden – das 1173 durch Schenkung des Edlen von Brach das Gut
Wimininctorp (heute Wintrup) erhalten hatte – befahl der Bischof
1245, “einen fähigen Geistlichen für die dortige Pfarre zu stellen,
selben gänzlich zu unterhalten und mit allen Bedürfnissen zu ver-
sorgen”.
Nach 1220 begann der sogenannte Wüstungsprozess. Siedlungen
in der weiteren Gemarkung wurden aus verschiedenen Gründen
aufgegeben. Abgaben und Dienste blieben an die Ländereien bzw.
Personen gebunden, auch wenn die “Colonen” aus den wüst wer-
denden Orten nach Sandebeck zogen. Die Bauern bewirtschafteten
von hier aus ihre alten Flure weiter. Sandebeck, an einer Straße ge-
legen, nahm einmal als Kirchdorf eine bevorzugte Stelle ein, zum
anderen war hier der Wasserbedarf das ganze Jahr hindurch
gesichert.
Das Weidegut Wintrup
Wintrup scheint nicht vom allgemeinen Wüstungsprozess erfasst
worden zu sein. An Königsfreien wurden 1568 noch “Kersting und
sin wif”, 1574 ein “Kunneke to Wintrup” und 1579 ein “Tönnis van
Wintrup” genannt. Wintrup ging 1533 aus dem Besitz des Klosters
Gehrden an das Adelsgeschlecht derer von der Lippe über. 1580
erbaute Erich von der Lippe in Wintrup neben den Wirtschaftsge-
bäuden ein von einer Gräfte umgebenes festes Haus. Es ist häufig
so gewesen, dass, sobald sich der Adel selber um die Bewirtschaf-
tung seines Besitzes kümmerte, die Bauern “abgemeiert” wurden.
Die Adeligen waren bestrebt, ihren Besitz durch Hinzunahme angren-
zender Fluren zu vergrößern.
1534 wurde erstmals eine Landwehr erwähnt, die die Dorfflur San-
debeck umgab und gegen das Gut Wintrup abgrenzte. Die Landwehr
schützte das Dorf gegen Viehdiebstahl und Feldschäden. An den
Dorfausgängen waren auf den Fuhrwegen zum Passieren Schlag-
bäume, an den Fußwegen Drehkreuze, auch Klappen genannt, an-
gebracht.
Durch die Schenkungen des Kaisers war der Bischof Grundherr in
Sandebeck. Der Besitz der Schwalenberger Grafen in Sandebeck
wurde 1361 zwischen dem stammverwandten Edelherren zur Lippe
und dem Fürstbischof geteilt.
Hauptgebäude Gut Wintrup
Seit Beginn des 15. Jahrhunderts erlangten die Herren von der
Lippe in Sandebeck, Altenhagen, Buddenbrock und Wintrup
Grundbesitz. Die Bauern waren also dem Fürstbischof in Paderborn,
dem Haus zur Lippe in Horn und dem Haus von der Lippe in
Vinsebeck, später Wintrup, als Grundherren mit Abgaben und
Diensten verpflichtet.
Die komplizierten Verhältnisse wurden noch erschwert durch die
geteilte Gerichtsbarkeit. Lippe übernahm von den Schwalenbergern
die Freivogtei über das ehemalige Königsgut Sandebeck, als de-
ren Fortsetzung das Gogericht anzusehen ist. Dem Fürstbischof
stand die “hohe Gerichtsbarkeit” mit dem Sitz in Dringenberg zu. Im
Jahr 1529 befasste man sich auf einem offenen “Jahrding”, mit dem
kuriosen Umstand, dass es in Sandebeck Frauen gab, die lippische
sog. Königsfreie waren, deren Männer aber Paderborner Staatsan-
gehörige waren.
Die “semptlichen” Gebrüder von der Lippe, zu denen auch Erich aus
der Linie Wintrup gehörte, besaßen die Halsgerichtsbarkeit. 1584
verurteilten sie die “Hexe” Stina Werneken aus Vinsebeck zum Tode
durch Verbrennen, weil diese u. a. auf Wintrup das Vieh verzaubert
haben sollte.
Nebengebäude Gut Wintrup
Frühe Neuzeit – Kirchengemeinde und Schule
In der frühen Neuzeit erhielt das Dorf Sandebeck eine zentrale und
langwährende Bedeutung innerhalb des Kirchspiels. Im Jahre 1555
wurde die Kirche neu errichtet, 1615 der Turm. Der Grundriss dieses
Gebäudes zeigt bereits die gleiche Länge wie die heutige Kirche.
Erhalten geblieben sind uns aus der alten Kirche der Opferstock von
1588, das Weihwasserbecken von 1623, der Taufstein von 1627 –
alle aus heimischem Eggesandstein – die Doppelmadonna und die
Glocke von 1623.
Diese Kirche war eine sogenannte “Mutterkirche” und hatte
Jahrhunderte lang eine große Bedeutung, da die umliegenden
Dörfer noch keine Kapellen besaßen.
Zur Pfarrei Sandebeck gehörten:
“Sandebeck, Berchem, Oienhausen, Himmichhausen, Erpentrop
und Langelandt, Hohenbrede, Grevenhagen, Kempen, Felt zu Drom
und das Hauß Wintrup” (Aufstellung von 1653). Bergheim
wurde 1664 abgepfarrt und kam zu Vinsebeck. In dem Chorraum der
Kirche fanden die Adeligen “von Schilder” aus Himmighausen und
“von der Lippe” aus dem Haus Wintrup ihre letzte Ruhestätte (die
wertvollen Grabplatten wurden bei dem Abriss der Kirche im Jahre
1858 vernichtet und blieben nicht, wie andernorts üblich, erhalten).
Die Toten des gesamten Kirchspiels – auch von Kempen und Feld-
rom jenseits der Egge – wurden in der Nähe der Pfarrkirche in San-
debeck beerdigt. Hierher mussten Gläubige zur Taufe, Kommunion,
Firmung, Trauung und zum Sonntagsgottesdienst kommen. Selbst
der Religions- und Schulunterricht in Sandebeck wurde vom Bischof
für die gesamte Pfarrei zur Pflicht gemacht.
Seit wann es eine Schule in Sandebeck gab, ist nicht bekannt, ver-
merkt wurde, dass seit Beginn des 30-jährigen Krieges die Zuwen-
dungen für das Schulgebäude fehlten. In Sandebeck befand sich der
Sitz eines Vogtes, der für das ganze Kirchspiel zuständig war.
1618 wurde eine Armenkasse eingerichtet.
Nach dem 30-jährigen Krieg gab es zwei “beeydigte” Hebammen.
Am Kirchplatz befanden sich Dorfkrug und Krämer. In den zwei Mühlen ließen auch die umliegenden Dörfer mahlen.
Der Dreißigjährige Krieg und seine Folgen
Der 30-jährige Krieg (1618-1648) brachte auch für Sandebeck eine
stark rückläufige Siedlungsentwicklung. Protokolle und Bittschriften
lassen die Verhältnisse in der Kriegs- und Nachkriegszeit deutlich
werden.
Die Kaiserlichen unter General Boditz belagerten 1634 Paderborn
und hatten in Sandebeck ihr Hauptquatier; sie raubten u.a. 150 Kü-
he und Rinder und 28 Pferde. Die durchziehenden Soldaten
schlachteten die Hühner; am Ende des Krieges waren im Dorf nur
noch 28 Hühner vorhanden. 1655 wird anlässlich der bischöflichen
Visitation vermerkt, dass das Küsterhaus baufällig sei. Als Grund
wird angegeben, “da es der Abgaben von 15 Meyergütern item 17
Köttern ermangelt.” (Mit der Aufstellung der Küsterabgaben ein-
schließlich der Restanten von 1655 liegt uns eine erste Namensliste
der Bauern und Kötter aus Sandebeck vor, es werden 85 Namen
aufgeführt.) 1653 sind die Sandebecker dem Haus zur Lippe Pacht
und Zehntkorn im Werte von insgesamt 1162 Rhtl.(Reichsthaler)
schuldig. Der Vogt begründet die Versäumnisse mit den großen er-
littenen Kriegsdrangsalen: …”da nur die Halbscheid der Einwohner
übrigverblieben, hätten die Dienste nicht vollständig geleistet werden
können, weil nur 2 Pferde und einige Rinder übrigverblieben.” Aus
dem Visitationsprotokoll von 1655 geht hervor, dass die Ländereien
bis zu 25 Jahre wüst liegen. Die Hungersnot über Jahrzehnte muss
unbeschreiblich gewesen sein.
Sandebeck hat durch die Auswirkungen des Krieges einen starken
Rückschlag erlitten; erst nach etwa 200 Jahren wurde die Anzahl der
Kolonate, die bereits vor dem 30-jährigen Krieg vorhanden war, wie-
der erreicht. Im Jahre 1830 wird im Pfarrarchiv vermerkt: “Wie sehr
von 1622 bis jetzt die Bewältigung der hiesigen Pfarre zugenommen
hat, davon kann man sich einen Begriff machen, wenn man weiß,
dass damals die Anzahl der in einem Jahr Geborenen 35 – 37 war,
nun etwa 70 – 80 und darüber, damals starben etwa 20 – 25, jetzt
etwa 50 – 60.”(zur “Pfarre” gehörten die Orte des Kirchspiels).
Nach dem 30-jährigen Krieg ließen die Bischöfe Abgabenregister
zwecks genauer Besteuerung erstellen.
Die “Specificotio” ist bereits differenziert, in ihr ist außer der Eintei-
lung der Wirtschaftsflächen die Klassifizierung des Ackerlandes in
Gütestufen vorgenommen. Der Anteil des Ackerlandes an der land-
wirtschaftlichen Nutzfläche betrug rund 90%.
Hauptgetreideart war Hafer.
Nach den Kornabgaben zu rechnen, wurden in Sandebeck
Hafer und Gerste und Roggen im Verhältnis 4 : 1 : 1 angebaut.
Der geringe Anteil an Weiden erklärt sich durch die Beweidung
der Brach- und Stoppelfelder und die Nutzung des Waldes zur
Hude und Mast. Das Brachland durfte durfte das ganze Jahr
hindurch als Trift benutzt werden, die Stoppelhude begann
am 1. September, die Waldhude am 1. Mai und dauerte in
den Eichenbeständen bis zur Eichelreife.
Nach der Eichelreife begann der Schweineeintrieb.
Im Eggewald konnten die Einwohner des Dorfes Sandebeck Rind-
vieh, Pferde und Schweine in beliebiger Zahl weiden lassen. An
Schafen durften 26 Triften zu je 250 Stück eingetrieben werden. Die
Schafhaltung erlangte große Bedeutung, die Wolle wurde in Pader-
born vermarktet. Im Schatzungsregister von 1685 wird das Land
überwiegend als “meierstättisch” bezeichnet, welches sowohl von
Bauern, als auch von Groß- und Vollköttern besessen wird. Bei der
Eigenbehörigkeit kann der Bauer vom Lehnsherrn ausgewechselt
werden, in Sandebeck dagegen ist von “Erbmeiern die Rede.
Sandstein, Glas und Eisen
Ende des 18. Jahrhunderts erlangte die Glashütte Sandebeck Be-
deutung. Sie wurde in der Egge aufgrund der natürlichen Vorkom-
men von Schmelzsand und Stangenholz angelegt. Die Kopfschatz-
tabelle von 1787 weist unter “glahsfabrique” 20 Personen auf.
Auf dem “Sandebecker Berge am Hohlen Wege” (alter Eggeweg)
befindet sich ein “vortrefflich Sandsteinbruch”, der an einen Stein-
hauer in Sandebeck verpachtet ist.
Der Eggesandstein vom Velmerstot fand nicht nur im Dorf Sande-
beck beim Bau von Kirchen und Häusern und Treppen, bei Grab-
benkmälern und Feldkreuzen Verwendung-
der in Quadern gebrochene Werkstein wurde weit ins Land bis zum
Rhein und nach Berlin geliefert.
In der Egge wird Eisen gewonnen. Seit 1730 wird Bleierz geschürft.
Aufgrund des Baumreichtums im Eggewald werden Mollenhauer
ansässig. Stellmacher und Schmied finden reichlich Arbeit. Sande-
beck hat zwei Schilderwirte: “Im weißen Stern”
und “Im rothen Creutz”.
Es trat eine Verbesserung des Wegenetzes ein. Mit dem Regulativ
von 1777 wurde die Ausbesserung der öffentlichen Straßen gesetz-
lich angeordnet. Die Dorfschaft Sandebeck war zur Ausbesserung
der Poststraße Paderborn – Lügde verpflichtet. Diese Straße führte
auf dem Teilabschnitt Himmighausen – Bergheim durch die Feldflur
Sandebecks an der Kreuzung Speerweg zweigten Wege nach San-
debeck und Wintrup ab. Jeden Sonntag und Donnerstag ging die
sogenannte reitende Post ab Paderborn über Höxter nach Berlin,
jeden Montag und Freitag die fahrende Post.
Im Jahre 1803 hatte Sandebeck 500 Einwohner und 77 Kolonate.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wurden entscheidende Refor-
men auf agrarwirtschaftlichem Sektor durchgeführt. In der ersten
Phase stand die Auflösung der Grundherrschaften; Leib- und Guts-
eigentum wurden aufgehoben. In Sandebeck erfolgte eine Ablösung
der Dienste, Pacht und Abgaben. Die Grundherrschaften erhielten
eine Entschädigung. Jeder wurde freier Herr auf freiem Besitz. ein
weiterer Schritt in der Reform war die Separation, die in der Abson-
derung und Aufteilung der Allmende, der Gemeinheitsfläche, ge-
stand. Die große Hude des Dorfes lag im etwa 2.000 Morgen großen
bischöflichen Wald, der bei der Säkularisation zum Staatswald er-
klärt wurde.
Die Gemeinde Sandebeck erhielt hierfür eine abgeholzte Fläche von
245 Morgen. Hiebei handelte es sich um die jüngste Rodung der
Gemarkung.; sie leigt im Längstal zwischen der Egge und den Mu-
schelkalkzügen. Dann erfolgte die Verkopplung von Parzellen eines
oder mehrerer Besitzer. In der Landwirtschaft wurde eine Abkehr von
der einseitigen Getreidewirtschaft möglich: die seit Jahrhunderten
festliegenden Kornabgaben waren nicht mehr zu entrtichten. Eine
Ausbreitung des Grünlandes war erforderlich: die alten Hudeflächen
fehlten. Die Glashütte hatte den Wald herabgewirtschaftet, die Erz-
schürfungen waren nicht mehr ergiebig. Nachgeborene Bauernsöh-
ne, Kleinbauern und Heuerlinge wanderten ab zum Ruhrgebiet, zum
Bergischen – und Märkischen Land. Eine Familie wanderte aus nach
Amerika. Die Befölkerung sank von 669 im Jahre 1858 auf 561 Ein-
wohner im Jahre 1885. Dann gab es noch die “Saisonwanderung”.
Die Familie blieb im Dorfe wohnen, der Mann suchte im Frühjahr und
Sommer Arbeit – meist als Maurer oder Ziegler – in den neuen In-
dustriegebieten und in Holland (“Hollandgänger”).
Gleisbau und Errichtung des Eggedoms
Ende des 19. Jahrhunderts zeigte die Bevölkerungsentwicklung wie-
der eine Zunahme. Es gab Arbeit in der näheren Umgebung des
Dorfes durch den Bau der Landstraße Horn – Sandebeck, des Reh-
berg – Tunnels und der Eisenbahnlinien Altenbeken – Detmold (1892
bis 1895) und Altenbeken – Hameln.
Die Schaffung neuer Arbeitsplätze fand ihren Niederschlag nicht nur
in der Bevölkerungszunahme, sondern auch im Siedlungsbild des
Dorfes. Von 1870 bis 1900 wurden 35 Wohngebäude errichtet. Auch
nach der Fertigstellung des Gleisbaues fanden viele Sandebecker
eine Anstellung beim Eisenbahnbetrieb.
Nach und nach erhielten die Dörfer, die früher zum Kirchspiel San-
debeck gehörten, eigene Kapellen bzw. Kirchen und Friedhöfe, so-
wie Schulen. 1768 errichtete man im Hause Wintrup eine Kapelle.
Im Jahre 1858 wurde die Kirche in Sandebeck abgerissen und in den
Jahren 1859 – 1861 durch eine neue ersetzt. Diese erhielt einen be-
eindruckenden, weithin sichtbaren Turm, 47 m hoch. Das Gebäude
wurde aus dem heimischen Sandstein im gotischen Stil errichtet.
Die gesamte Innenausstattung führte der Sandebecker Tischler
Flormann mit seinen Söhnen, wohnhaft bei der Kirche im Kesselort,
aus.
Die Arbeiten sind also als das Lebenswerk dieser Kunsttischler an-
zusehen, das sie der Kirche widmeten. Mit der Kirchenausstattung
setzten sie sich ein Denkmal. Später wanderte die Familie Flormann
nach Amerika aus.
Die Innenausstattung war dem gotischen Stil nachempfunden, so
dass das Gebäude selbst und das Innere wie “aus einem Guss”
wirkten; es war eine vollkommene Harmonie, die ihresgleichen
suchte. 1858 wurde mit dem Neubau des Pastorates begonnen.
Im Dorf Sandebeck wohnhaft und begütert war die Familie von der
Lippe. Mit dem Freiherrn Diederich Philipp, geboren 1692, aus dem
Hause Wintrup, entstand die Nebenlinie Sandebeck. Albert von der
Lippe, geboren 1834 und gestorben 1898, dessen Ehe kinderlos
blieb, war der letzte Besitzer des Hauses Sandebeck.
1891 wurde – sicher erstmals seit etwa 800 n. Chr. – ein Friedhof
außerhalb des Dorfes angelegt und zwar an der Straße nach
Bergheim.
Im ersten Weltkrieg kamen 22 Männer nicht von der Front zurück; Im Zweiten Weltkrieg gab es 72 Gefallene und Vermisste.
Ihre Namen finden wir auf dem Kriegerdenkmal.
1927 bekam Sandebeck ein neues Schulgebäude an der Straße nach Bergheim. Die alte Schule, die in der Nähe der Kirche stand, wurde abgerissen und die behauenen Sandsteine fanden Verwendung als Fundament beim Bau des Gendarmenhauses.
1927 / 28 hielt die Elektrizität Einzug in das Dorf und im Jahr darauf folgte die Straßenbeleuchtung.
1939 hatte Sandebeck 746 Einwohner.
Ins Dorf kamen zunächst die Evakuierten, dann die Flüchtlinge. 1946 war die Einwohnerzahl auf 1031 gestiegen. 1947 betrug die Gesamtschülerzahl 204 (ausschließlich Kinder aus dem Dorf Sandebeck ! Davon waren 40 Flüchtlinge und 31 Evakuierte). In der Schule und auch im Dorf selbst herrschte große Raumnot: der Ort bestand – wie vor dem Krieg – aus 150 Häusern. Während des Krieges (am 22.02.1944) wäre beinahe zumindest ein Teil des Dorfes ausgelöscht worden: ein angeschossener Bomber der Alliierten überflog noch das bebaute Gebiet, knapp am Kirchturm vorbei und stürzte erst unmittelbar nach dem letzten Gebäude ab.
Ab Mitte der 50er Jahre wurde die Raumnot gemildert. Evakuierte zogen ins Ruhrgebiet zurück. Flüchtlinge und Einheimische bauten.
1954 / 55 erfolgte die Verlegung der Wasserleitung im Dorf.
Ein Dorf verändert sein Gesicht
1966 stürzte das Grubengelände des Gipsbruches in der Nähe von Wintrup ein. Das Bergwerk wurde stillgelegt. (im 2. Weltkrieg befand sich hier ein Zwangsarbeiterlager.)
Ab Anfang der 60er Jahre erfolgte eine große Veränderung des Dorfbildes. Die Vikarie, ein schönes zweistöckiges Fachwerkhaus, wurde abgerissen und durch ein weiß verputztes Häuschen ersetzt. Das Pastorenhaus, ein prächtiger Backsteinbau, erhielt weißen Verputz. Zahlreiche Häuser wurden abgerissen und neu errichtet.
Alte und neue Häuser erhielten weißen Verputz. Bauern bezogen Aussiedlerhöfe in der Gemarkung. Besonders tragisch war, dass etliche Bauernhäuser – höchstwahrscheinlich auf den Plätzen der Königsfreien aus der Zeit Karls des Großen stehend – eingeebnet wurden; der alte Dorfkern war nicht mehr zu erkennen …
Mitte der 70er Jahre erfolgte die “Modernisierung” der Pfarrkirche. Zunächst verschwanden alle drei Altäre. Der Hochaltar wurde dann, mit verändertem Unterbau und nachgedunkelt, wieder aufgestellt. Die Seitenaltäre, ebenso hoch und prächtig wie der Hochaltar, blieben verschwunden. Die Kanzel, die Kommunionbank, die Beichtstühle, die Orgelbühne (die von der einen Seite des Kirchenschiffes zur anderen reichte) wurden entfernt, selbst die Verzierungen unten im Turm, die Rahmen der Kreuzwegstationen und die historische Chorlampe für das ewige Licht fehlen seitdem. Die große Orgel, die u.a. der Organist Rennert 37 Jahre lang “erbrausen” ließ, und deren gewaltige Orgelpfeifen bis vorn an die Brüstung der Bühne reichten, verschwanden ebenfalls. Das Taufbecken wurde vom ursprünglichen Platz wegtransportiert. Als “Krönung” erhielt die im gotischen Stil erbaute Kirche anstelle des neugotischen Marienaltars einen “romanischen” Rundbogen in der Wand. Die Fenster blieben unangetastet. Sandebeck war immer katholisch, auch in der Reformationszeit.
Bei der Gebietsneuordnung von 1970 kam Sandebeck zur Großgemeinde Steinheim, obwohl die Verkehrsanbindung ins “Lippische” günstiger war. 1977 zählte Sandebeck 1167 Einwohner und bestand aus 235 Häusern. Zum 31.12.05 lebten in Sandebeck 937 Einwohner in 290 Häusern.
Anlässlich des Dorfjubiläums können wir uns fragen: ” Was ist das Thypische, das Besondere an Sandebeck ?”
Eine naturgegebene Besonderheit Sandebecks ist, dass sich in einem Berg der nördlichste erloschene Vulkan des europäischen Festlandes befindet. In Dorfnähe und im Altenhagen gibt es je eine Quelle, beide stehen im Zusammenhang mit dem Vulkanismus und weisen sommers und winters eine Temperatur von etwa 8° C auf.
Das typische Dorfbild wird u.a. so definiert: An dem historischen Baumaterial des Ortes ist zu erkennen, auf welchem Gestein das Dorf steht.
Sandebeck war so ein Dorf !
Das Landschaftsbild ist traumhaft, 40 % der Gemarkung ist Wald. Auf 12,44 qkm gibt es abwechslungsreiche Höhenunterschiede ( Velmerstot 468 m, Talaue Wintrup 189 m ) ! Die Häuser sind im Laufe von Jahrhunderten zusammengewachsen zu einem sogenannten Haufendorf.
Sandebeck war das Dorf.
Hier konnte man das Gefühl ” Heimat ” festmachen ! Beim Jubiläum vor 50 Jahren bestand Sandebeck zum großen Teil aus Fachwerkhäusern mit Sandstein – Fundamenten, dann folgten Häuser aus Muschelkalk, die Fenster mit Sandstein eingefasst und Häuser aus rotem Backstein mit Fundamenten aus Trochitenkalk. Die Dächer trugen rote Dachziegel.
Besonders eindrucksvoll waren die riesigen Dächer der Bauernhäuser, an der Stallseite tief zur Kübbung heruntergezogen. Etliche Häuser hatten Treppen aus bearbeitetem Sandstein. Die Haustüren, aufwendig aus Holz gearbeitet, zeigten oft vor der eingelassenen Glasscheibe noch Verzierungen aus Schmiedeeisen. Vor jedem Haus zur Straße hin befand sich eine Bank. Vor etlichen alten Häusern standen stattliche Kastanienbäume.
Die Vincentinerinnen
Im Ordensbuch der Genossenschaft der Vincentinerinnen vom Jahre 1906 wurde Sandebeck als 77. Filiale bezeichnet und wie folgt beschrieben:
Das Vincenzhaus in Sandebeck wurde am 6. September 1903 eröffnet. Pfarrer Vincenz van Beeck in Sandebeck wollte gern seiner Pfarrei, die, hart an der östlichen Grenze Westfalens gelegen, sich über viele politische Gemeinden bis an das Fürstentum Lippe -Detmold hinein erstreckte, einen besonderen Beweis seiner Fürsorge geben, durch Einrichtung eines Schwesternhauses zu Ehre seines Namenspatrons St. Vincenz.
Nachdem ihm von den Ordensoberen drei Schwestern zugesagt waren, ging er mit allem Eifer ans Werk. Anfangs wollte er es mit einem gemieteten Haus versuchen, da jedoch die staatliche Genehmigung so schnell, als er erwartet hatte, nicht erfolgte, so hielt er es doch für richtiger, nun die Schwestern auch gleich in ein neu erbautes Haus zu führen und deshalb auch mit der Eröffnung des Vincenzhauses bis zur Vollendung des Neubaus zu warten.
Im Bericht an die Oberen, in welchem er diesen Entschluß mitteilte, heißt es:
” Die Pfarrei Sandebeck umfasst 9 Dörfer und bietet für die gesegnete Wirksamkeit der barmherzigen Schwestern ein weites Feld. Sandebeck liegt am Fuße des Teutoburger Waldes in schöner Gebirgsgegend und reiner, gesunder Luft. In der nähe der neuen Kirche an einem ruhig gelegenen Orte bekommen die Schwestern ein schönes Häuschen mit anliegendem Garten, der ihnen Gemüse usw. hinlänglich liefert. Der sonstige Lebensunterhalt wird von der Gemeinde in auskömmlicher Weise den Schwestern gestellt. Das Haus ist Eigentum der Kirche, und es wird für einen Unterhaltsfond gesorgt. Ambulante Krankenpflege, Näh- und Bewahrschule sollen die Tätigkeit der Schwestern bilden. “
Am 6. September 1903 konnten endlich, nachdem der Bau vollendet war, die Schwestern Rosa, Melita und Gerolda von den Oberen in das Vincenzhaus in Sandebeck eingeführt werden. Es war ein ordentlicher Festtag für die ganze Gemeinde. In vier bekränzten Wagen wurden die Oberen nebst Schwestern am Bahnhofe abgeholt, woselbst der Kirchenvorstand in einer herzlichen Ansprache die Schwestern begrüßte. Das Häuschen selbst war schön und zierlich geschmückt, und für alles recht gut Vorsorge getroffen. Pfarrer van Beeck selbst feierte das Hochamt und hielt eine herzgewinnende Predigt. Der Superior nahm dann unter den üblichen Zeremonien die Einweihung des Hauses vor. Das Vincenzhaus ist eine Wohltat für die ganze Gemeinde.